In den USA sind gentechnisch veränderte Organismen, besonders Essen, viel landläufiger als in Deutschland. Diesen Unterschied kann man durch viele Facetten des Gentechnikdiskurses bemerken, schreibt Aron Malatinszky.
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Die Terminologie, die wir in der englischen und deutschen Sprache zur Gentechnik benutzen, ist eine wichtige Facette. In den USA zum Beispiel nennt man die GVOs meistens “genetically modified” oder “bioengineered.” Solche Wörter klingen sicher und fortschrittlich. Auf deutsch sagen viele Leute jedoch oft “genmanipuliert”. “Manipulation” ist aber ein scharfes und negativ besetztes Wort, oder? Ein gieriger Firmenboss kann vielleicht einen Absatzmarkt manipulieren, oder ein Kontrollfreak kann seine Freunde für seinen persönlichen Nutzen manipulieren. “Genmanipuliert” klingt einfach schädlich und unsicher – solche “manipulierte” Speise will fast niemand essen.
In den Medien ist der Unterschied zwischen deutschen und amerikanischen Perspektiven auch klar. In den letzten paar Jahren ist eine grauenhafte Selbstmordserie von indischen Bauern ausführlich dargestellt worden. Seit 1995 haben zwischen 200.000 und 300.000 Bauern in Indien Selbstmord begangen. Warum? Wenn man dieses Phänomen auf deutsch nachschlägt und recherchiert, dann findet man mehrere Artikel, in denen die Journalisten erörtern, dass die Bauer gentechnisch veränderte Baumwollsaaten (namens “BT” Baumwoll) von Biotechnologieunternehmen – wie Monsanto aus Amerika – gekauft haben, da sie glaubten, dass sie mit der modernen Technologie erfolgreiche und höhere Anbauerträge bewirken können. Laut den Artikeln haben die neuen, unerprobten “genmanipulierten” Baumwollsaaten versagt, wurden die Bauer in den Bankrott getrieben, und – als Folge davon – haben die Bauern sich umgebracht. Aber wenn man dieses Phänomen auf Englisch nachschlägt und recherchiert, dann sind die Ursachen ganz anders. Amerikanische Journalisten berichten oft, dass die Bauern in Indien Bankrott gegangen sind, aber nur aufgrund von Bankenpleiten, Kurswechseln, Hagelschauern und natürlichen Phänomenen, die mit der gentechnischen Veränderung nichts zu tun haben. Welche Berichte sind richtig? Da können wir uns nicht sicher sein; trotzdem kann man sehen, dass die Meinungen der Nationen klar abweichend sind.
Angst um die Gesundheit
Und was finden die Deutschen gegen GVOs? Viele deutsche Nachrichten-Webseiten und einzelne Organisationen erörtern, dass GVOs unabsichtlich schädlich sein können, da die Langzeitwirkungen schon meistens unerforscht sind. Laut zentrum-der-gesundheit.de fanden ein paar Wissenschaftler, dass “gentechnisch veränderter Mais” die Entwicklung von “erschreckend grosse[n] Tumore[n]” bei Laboratten verursachen kann. Mit solchen Berichten haben viele Leute Angst von GVOs – mindestens vor ihren Risiken.
Deutsche Organisationen warnen oft auch, dass die Verbreitung und Kontamination der GVOs an anderen Pflanzen völlig unvermeidbar ist. Diese Idee ist die Ursache von vielen umstrittenen Debatten über die Gentechnik. Da die Leute oft schon gegen GVOs sind, ist die Lebensmittelkennzeichnung immer wichtig. Aber wenn der GVO-Pollen zwangsläufig andere Feldfrüchte und Pflanzen “kontaminiert”, wie sollen sie dann gekennzeichnet werden? Die Debatten zum Thema Pollenübertragung (meistens in der Honigproduktion) sind hitzig – und vor Gericht auch teuer – geworden. Viele Deutsche finden, dass die Probleme der GVOs größer, teurer und gefährlicher als ihre Vorteile sind.
In den USA sind die Schwerpunkte ganz anders. Es gibt offensichtlich Leute und Organisationen, die gegen GVOs sind, aber am meisten ist der Überblick darüber positiver als in Deutschland. Diskussionen zum Thema Genveränderung drehen sich weniger um mögliche Risiken und Wirkungen von GVOs, sondern um die quantitative und qualitative Vorteile davon. In amerikanischen Nachrichten geht es oft um neue gentechnisch veränderte Essen, wie zum Beispiel “goldener Reis,” mit dem ärmere Leute in Asien erfolgreichere und produktivere Anbauerträge bewirken und ihre Vitamin-A-Mangel beheben können. Es geht um den 18,8-Milliarden Dollar Gesamtgewinn (in 2012) pro Jahr für alle Bauern und Unternehmen der Welt, die GVOs anbauen. Leute kaufen ganz einfach gentechnisch verändertes Essen im Supermarkt, auch wenn das Essen ohne Kennzeichnung verkauft wird. Die Leute, die dagegen sind, sind die Aktivisten, und nicht andersherum.
Gibt es eine richtige Seite in der Debatte über GVOs? Das weiß niemand. Aber jeder soll die Kultur seines Wohnorts bedenken, wenn er eine Entscheidung treffen muss.